“Das System ist 15 Jahre alt, da kann man nichts mehr machen.” Wirklich? Ich habe in meiner Karriere dutzende Systeme gesehen, die totgesagt waren – und die heute noch produktiv laufen. Besser als vorher.

IT-Restaurierung ist die Kunst, aus dem Vorhandenen das Beste zu machen. Nicht weil es sexy ist, sondern weil es oft die klügere Entscheidung ist.

Warum nicht einfach alles neu kaufen?

Diese Frage höre ich oft. Die Antwort ist meistens: Geld, Zeit, Risiko.

Geld: Eine neue ERP-Einführung kostet für ein mittelständisches Unternehmen schnell 500.000 EUR – aufwärts offen. Hardware-Refresh inklusive Cloud-Migration: ähnliche Größenordnung. Das Upgrade des bestehenden Systems? Oft ein Bruchteil.

Zeit: Neue Systeme brauchen Zeit. Evaluation, Auswahl, Implementierung, Schulung, Parallelbetrieb. Schnell vergehen 18-24 Monate. Eine gezielte Restaurierung? 3-6 Monate, manchmal weniger.

Risiko: Jedes neue System bringt neue Probleme. Schnittstellen, die nicht funktionieren. Prozesse, die nicht abgebildet sind. Mitarbeiter, die rebellieren. Das bekannte System hat zwar Macken – aber Sie kennen die Macken.

Was bedeutet IT-Restaurierung konkret?

IT-Restaurierung ist kein Marketing-Begriff für “wir machen nichts”. Es ist ein systematischer Ansatz:

1. Bestandsaufnahme: Was haben wir eigentlich?

Überraschend oft weiß niemand genau, was alles läuft. Server, die vergessen wurden. Anwendungen, die “irgendwer mal installiert hat”. Schnittstellen, die keiner dokumentiert hat.

Der erste Schritt: Ein vollständiges Inventar. Hardware, Software, Lizenzen, Abhängigkeiten.

2. Analyse: Was davon brauchen wir?

Nicht alles, was läuft, wird gebraucht. Ich habe erlebt:

  • Drei verschiedene CRM-Systeme im selben Unternehmen
  • Server, die seit Jahren keine Anfragen mehr bekommen
  • Software, für die niemand mehr die Lizenz findet

Was nicht gebraucht wird, kann weg. Das vereinfacht alles.

3. Stabilisierung: Das Fundament sichern

Bevor man modernisiert, muss das Bestehende stabil laufen:

  • Patches einspielen (ja, auch die von vor fünf Jahren)
  • Backups einrichten und testen
  • Monitoring aufsetzen
  • Dokumentation erstellen

4. Optimierung: Mehr rausholen

Jetzt wird es interessant:

  • Performance-Tuning: Oft reicht es, die richtige Konfiguration zu finden
  • Speicher/RAM-Upgrade: Erstaunlich, was ein paar GB mehr RAM bewirken können
  • SSD statt HDD: Der Klassiker mit dem größten Effekt
  • Virtualisierung: Alte physische Server auf moderne VMs migrieren
  • Containerisierung: Legacy-Anwendungen in Container packen

5. Modernisierung: Schrittweise ins Heute

Nicht alles auf einmal, sondern gezielt:

  • Frontend modernisieren, Backend behalten
  • APIs vor alte Systeme setzen
  • Cloud-Dienste für bestimmte Funktionen nutzen
  • Schrittweise Migration statt Big Bang

Drei Beispiele aus der Praxis

Fall 1: Die unsterbliche Warenwirtschaft

Ausgangslage: DOS-basiertes Warenwirtschaftssystem aus den 90ern. “Muss ersetzt werden”, sagten alle Berater.

Problem: 20 Jahre Geschäftsprozesse waren um dieses System herum gewachsen. Die Mitarbeiter kannten jede Taste auswendig.

Lösung: Terminal-Emulator auf modernen PCs, Virtualisierung des DOS-Systems, API-Brücke für den Webshop. Kosten: 25.000 EUR. Eine Ablösung hätte 400.000 EUR gekostet.

Heute: System läuft seit 8 Jahren stabil – wir haben es letztes Jahr nochmal für Windows 11 fit gemacht.

Fall 2: Der Server aus dem Keller

Ausgangslage: 12 Jahre alter physischer Server, letztes Update: unbekannt. “Fasst den bloß niemand an” war die Devise.

Problem: Kein Backup, keine Dokumentation, niemand wusste genau, was darauf läuft.

Lösung: Vorsichtige Analyse (ohne neu zu starten!), Image erstellen, auf virtuelle Maschine migrieren, in modernes Backup integrieren. Dann erst: Updates, Härtung, Monitoring.

Ergebnis: System läuft jetzt sauber virtualisiert, vollständig dokumentiert, mit täglichem Backup.

Fall 3: Die Frankenstein-IT

Ausgangslage: Über 10 Jahre gewachsene IT-Landschaft. Drei verschiedene Backupsysteme, fünf verschiedene Antiviruslösungen, niemand hatte den Überblick.

Lösung: Konsolidierung. Ein Backup-System, eine Endpoint-Protection, ein zentrales Monitoring. Nicht durch Neukauf, sondern durch Aufräumen und das Beste aus dem Vorhandenen wählen.

Ergebnis: Weniger Lizenzen, weniger Komplexität, bessere Übersicht. Und nebenbei: 30% weniger IT-Kosten.

Wann ist Restaurierung die falsche Wahl?

Ich bin kein Dogmatiker. Manchmal ist Neu tatsächlich besser:

  • End of Life: Wenn der Hersteller keinen Support mehr bietet und Sicherheitslücken nicht geschlossen werden
  • Skalierungsprobleme: Wenn das System fundamental nicht mitwachsen kann
  • Fachkräftemangel: Wenn niemand mehr COBOL/RPG/AS400 kann
  • Geschäftsmodell-Änderung: Wenn das alte System den neuen Prozess nicht abbilden kann
  • Wirtschaftlichkeit: Wenn die jährlichen Wartungskosten den Neupreis übersteigen

Der pragmatische Weg

Mein Ansatz ist immer: Erst verstehen, dann entscheiden.

  1. Was kostet Weiterbetrieb? (realistisch, nicht optimistisch)
  2. Was kostet Ablösung? (realistisch, nicht optimistisch)
  3. Was sind die Risiken? (beides)
  4. Was will die Geschäftsleitung? (manchmal ist “neu” ein strategisches Statement)

Oft ist die Antwort: Eine Mischung. Das Kernsystem restaurieren, Randprozesse modernisieren, Cloud-Dienste für neue Anforderungen nutzen.

Fazit: Alt heißt nicht schlecht

Ein 15 Jahre altes System, das stabil läuft und die Anforderungen erfüllt, ist kein Problem – es ist ein Asset. Problematisch wird es erst, wenn:

  • Keiner mehr weiß, wie es funktioniert
  • Es nicht mehr gepflegt wird
  • Die Sicherheit leidet
  • Es das Geschäft bremst

Gegen all das kann man etwas tun – oft ohne alles über den Haufen zu werfen.


Haben Sie “alte Systeme”, die eigentlich gut funktionieren – aber niemand traut sich ran? Lassen Sie uns gemeinsam hinschauen. Oft ist die Lösung einfacher (und günstiger) als gedacht.